Häufige Fragen
Zum Personalmangel an den Schulen
Warum schlagen die Lehrpersonen jetzt Alarm?
Der Personalmangel an den Schulen spitzt sich seit Jahren zu und wird auch nicht so schnell verschwinden. Im Gegenteil: Gemäss den Szenarien für das Bildungssystem des Bundesamts für Statistik setzt sich das seit 2011 verzeichnete Wachstum der Schüler:innenzahlen in der obligatorischen Schule fort. Neben der Zuwanderung spielt auch der (erfreuliche) Umstand der steigenden Geburtenzahlen eine Rolle. 2031 werden rund 86’000 Schüler:innen mehr die obligatorischen Schulen besuchen als noch 2021.
Um die steigenden Schüler:innenzahlen abzufangen, müssen zwischen 2022 und 2031 bis zu 47’000 neue Lehrpersonen ausgebildet werden. Die Pädagogischen Hochschulen werden im gleichen Zeitraum aber voraussichtlich nur 34’000 Diplome ausstellen. Es fehlen in absehbarer Zukunft rund 13’000 neue Lehrpersonen.
Dazu kommt: Der Personalmangel beschränkt sich nicht auf Lehrpersonen, auch wenn vor allem diese im öffentlichen Fokus stehen. Es gibt auch zu wenige Logopäd:innen, Heilpädagog:innen und weitere schulische Fachpersonen.
Wieso merkt man bisher wenig vom Lehrpersonenmangel?
Noch gelingt es den Kantonen, die fehlenden Lehrpersonen kurzfristig zu ersetzen. Durch Personen ohne adäquates oder ganz ohne Lehrdiplom, Weglassen von Förderlektionen (z.B. im heilpädagogischen oder logopädischen Bereich), Einsatz von eigentlich schon pensionierten Lehrpersonen, Aufstockung von Pensen oder Erhöhung der Klassengrössen. Denn klar ist: Dank Improvisation und grossem Einsatz von Schulleitungen und Teams vor Ort findet der Unterricht immer irgendwie statt.
Das Provisorium darf aber nicht zum Dauerzustand werden. Personen ohne Lehrdiplom einzusetzen, mag als Notlösung vorübergehend funktionieren. Mittelfristig führt die Verwässerung der Anforderungen an den Lehrberuf in eine Abwärtsspirale: Wenn es für den Lehrberuf keine Ausbildung braucht, steigt die Belastung für die ausgebildeten Fachpersonen, sinkt der Anreiz, eine adäquate Ausbildung nachzuholen und leiden das Prestige sowie das Commitment für den Beruf. Dies senkt wiederum die Attraktivität des Berufs und macht es noch schwieriger, geeignete Personen für den Lehrberuf zu begeistern.
Was ist dran an den Klagen von Lehrpersonen über die Arbeitslast?
Der Lehrberuf hat sich gewandelt. Die Belastung und die Anforderungen – zusätzlich zum «Kerngeschäft» Unterricht – sind gestiegen:
- Das Schulwesen hat sich weiter professionalisiert. Nebst allen Vorteilen bringt das allerdings auch mehr administrative Arbeiten mit sich.
- Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus ist viel aufwändiger und anspruchsvoller als früher.
- Mit den neuen Kommunikationsmitteln steigen der Aufwand für die Kommunikation und die Ansprüche an die Erreichbarkeit der Lehrpersonen. Hatten Lehrpersonen früher einen Elternkontakt pro Schuljahr, ist es heute eine Vielzahl von Elternbegegnungen und Telefonaten pro Schuljahr.
- Die Zahl der Kinder mit besonderem Förderbedarf hat zugenommen. Parallel dazu nehmen die Koordinationsaufgaben (Erziehungsberatung, Schulsozialarbeit, weitere Fachpersonen) mehr Zeit ein.
- Die Schulen entwickeln sich viel schneller als früher, zum Beispiel im IT-Bereich. Mehr Weiterbildungen und Teamsitzungen sind die Folge.
Viele dieser Entwicklungen sind positiv und gehören zu einer Gesellschaft, die sich wandelt dazu. Und trotzdem: Die Aufgaben ausserhalb des Unterrichts beanspruchen immer mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Es bleibt immer weniger Zeit für den eigentlichen Bildungsauftrag, für den Lehrerinnen und Lehrer nach wie vor brennen: Kinder unterrichten.
Daneben sind die Ansprüche der Gesellschaft an die Schule und die Lehrpersonen massiv gestiegen. Viele gesellschaftliche Herausforderungen (Suchtprobleme, Gewalt, Mobbing, Berufswahl, Anschlusslösungen etc.) werden heute als Ganzes an die Schule delegiert. Auch für eigentliche Erziehungsaufgaben werden immer mehr der Schule übertragen. Je grösser das zusätzliche Aufgabenpaket, desto eher droht eine Überlastung.
Wie viele Lehrpersonen steigen aus dem Beruf aus?
Die Verbleibsquote von Lehrerinnen und Lehrern ist im Vergleich zu anderen Berufen traditionell sehr hoch. Und doch nimmt die Zahl der Berufsausstiege zu – nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Belastung.
Betrachtet man allein die obligatorische Schule, so ist nach fünf Jahren jede sechste Lehrperson nicht mehr an einer obligatorischen Schule tätig. Bei den jungen Lehrpersonen unter 35 ist es sogar jede fünfte Lehrperson. Jedes Jahr verlassen rund 7’000 Lehrpersonen ihren Beruf. In einer ohnehin schon angespannten Personalsituation ist diese Fluktuation zu hoch.
Ausserdem reduzieren immer mehr Lehrpersonen ihr Pensum wegen den gestiegenen Anforderungen an die Schule. Bei einer Umfrage bei Lehrpersonen im Kanton Bern 2023 wurde die Sorge um die eigene Gesundheit gemeinsam mit dem Grund, Verantwortung für die Familie zu tragen, mit Abstand als häufigster Grund für Teilzeitarbeit genannt.
Zum Aktionsplan Bildungsqualität
Was ist der Aktionsplan Bildungsqualität?
Mit dem Aktionsplan Bildungsqualität wollen der LCH und die kantonalen Lehrpersonenverbände etwas gegen den akuten Personalmangel an den Schulen unternehmen. Sie werden auf zwei Ebenen aktiv:
- National machen sie mit einer Kampagne auf das Problem Lehrpersonenmangel aufmerksam.
- Kantonal fordern sie, die Bildungsqualität explizit in den kantonalen Verfassungen und Gesetzen zu verankern. Sie wollen die Kantone dazu verpflichten, eine genügende Anzahl qualifizierter Lehrpersonen und schulisches Fachpersonal anzustellen.
Was wird gemacht, damit die Kantone gegen Lehrpersonenmangel vorgehen?
Der LCH und die kantonalen Lehrpersonenverbände möchten die Bildungsqualität als Auftrag und Ziel in den kantonalen Verfassungen und Gesetzen verankern. Dazu starten sie in verschiedenen Kantonen Initiativen, Petitionen oder andere Aktionen, um die Kantone zum Handeln zu bewegen.
Auf Detailmassnahmen wird in Initiativen bewusst verzichtet. Die Verantwortung für die Umsetzung des Verfassungsauftrags liegt bei den kantonalen Regierungen und Parlamenten.
Welche Massnahmen müssen die Kantone ergreifen?
Es gibt nicht die eine Massnahme, die den Personalmangel an den Schulen behebt. Sondern es braucht ein Bündel von Verbesserungen und Anpassungen. Folgende Massnahmen sind dazu geeignet, den Lehrberuf wieder attraktiver zu machen und die Bildungsqualität zu sichern:
- Entlastung von Lehrpersonen von administrativen Aufgaben
- Weniger Lektionen für Klassenlehrpersonen
- Mehr Unterstützung zur Förderung der Schülerinnen und Schüler
- Reduktion der Klassengrösse
- Verpflichtung zur Ausbildung für Lehrpersonen ohne Lehrdiplom
- Mehr und passendere Angebote für qualifizierte Quereinsteiger:innen
- Mehr Ausbildungsplätze für Lehrpersonen
- Bessere Vorbereitung auf die Praxis und Unterstützung beim Berufseinstieg
- Angleichung der Löhne und bessere Löhne auf unteren Stufen
Wieso ist keine nationale Volksinitiative gegen Lehrpersonenmangel geplant?
Der Bildungsbereich ist föderalistisch organisiert. Mit Ausnahme der ETH liegt die Zuständigkeit über die Schulen weitgehend in der Verantwortung der Kantone. Entsprechend müssen Initiativen zur Sicherung der Bildungsqualität auf kantonaler Ebene ansetzen.
Warum sollen wir überhaupt in die Bildung investieren?
Bildung ist das Fundament für den wirtschaftlichen Erfolg und den Wohlstand der Schweiz. Und sie ist für das Funktionieren einer direkten Demokratie und das gesellschaftliche Zusammenleben zwingend notwendig.
Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht, das allen Menschen – vor allem allen Kindern – zusteht. Das Recht jedes Kindes auf Bildung ist wesentlicher Bestandteil der UNO-Kinderrechtskonvention. Die Förderung von Bildung und Bildungsqualität ist jedoch auch Verfassungsauftrag: Gemäss Art. 61a der Bundesverfassung müssen Bund und Kantone «für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz» sorgen.